HAMBURGER ABENDBLATT
Nr. 130, 07.-08.06.1958, Sonnabend-Sonntag, Seite 9


Auf den Spuren des Unbewußten,
Bücher des Nervenarztes Dr. Otto Kankeleit

"Der Mensch - das unbekannte Wesen" hat der Arzt und Nobelpreisträger Alexis Carrel eines seiner Bücher benannt und würde es wohl noch immer so benennen müssen, obwohl seit Siegmund Freud und C. G. Jung (und ihren Schulen) unaufhörlich Expeditionen in das Dickicht der menschlichen Seele unternommen worden sind und immer noch werden. Sie alle zielten und zielen ins Unbewußte, in ein Dunkel, das trotz vieler Erhellungen noch lange nicht licht genug ist.
Zu den unzähligen Teilnehmern dieser weltweiten Erkundungs-Expeditionen gehört auf seine Weise auch der Hamburger Nervenarzt (Psychotherapeut ) Dr. Otto Kankeleit, von dem der Ernst Reinhardt Verlag, München/ Basel, für den kommenden Herbst ein Buch über "Das Unbewußte als Keimstätte des Schöpferischen" ankündigt. Es wird Selbstzeugnisse über das schöpferische Unbewußte von Männern wie Thielicke, v. Weizsäcker, Rowohlt, Bürger-Prinz, Jores, Laun, Leip, Haas, Höger, Schumacher, Marcks, Kubin, Rennert, Jochum, Offenbach, Frau Ida Ehre und vielen anderen enthalten. Man darf gespannt darauf warten, welche Auskünfte über die Vorgänge des Schöpferischen hier gegeben werden.
Inzwischen hat Otto Kankeleit unter dem Titel "Wir sind ein Atem nur in Gottes Mund" seine nahezu privaten Tagebuchaufzeichnungen, die ihm aus seiner Erfahrung als Psychotherapeut zugewachsen und in die Feder geflossen sind, in einem begrenzten Umfang veröffentlicht (Privatdruck im Hamburger Ärzte-Verlag). "Diese Meditationen und Aphorismen", so sagt er, "sind Wegmale auf dem Wege vom Ich zum Selbst, auf dem Wege zur Gottverbundenheit. Ich wende mich an die, welche das Bedürfnis nach einer eigenen Lebensschau haben." WMH