Römische Mosaiken
              
              
 Seit dem vorletzten Jahrhundert wurden in Griechenland zahlreiche
              Bodenmosaiken ausgegraben, die aufgrund der Fundsituation, sowie ihrer technischen
              und stilistischen Eigenart der römischen Kaiserzeit (1.-4. Jh.n.Chr.)
              zuzuweisen sind. Es handelt sich um Böden, die aus sog. Tessellae,
              quadratisch zugeschnittenen Würfeln aus Marmor, Kalkstein, Glas oder
              Terrakotta bestehen.
              
              
              
              
              
              
              Griechenland war während der römischen Kaiserzeit ein relativ
              armes Land. Der Reichtum konzentrierte sich in den Händen einer Minderheit,
              die eng mit den Römern zusammenarbeitete. 
              Zu dieser Elite gehörte
              etwa der herausragende Rhetor und Multimillionär Herodes Atticus,
              der im 2. Jh.n.Chr. in Athen lebte und zahlreiche Prestigebauten in ganz
              Griechenland errichten ließ.
              In einigen Städten wie Thessaloniki, Korinth und Patras blühte
              der Handel, von dem allerdings nur eine kleine Oberschicht profitierte. 
              Diese reichen Kaufleute, hauptsächlich Griechen mit römischem
              Bürgerrecht oder Römer, konnten sich luxuriöse Häuser
              in der Stadt oder auf dem Lande leisten.In Griechenland scheint es nur
              wenige Privatbauten gegeben zu haben, die so groß, prächtig
              und aufwendig waren wie die palastartigen Anlagen in Italien und Nordafrika. 
              Bei den meisten bisher bekannten Wohnhäusern handelt es sich um recht
              einfache, klar gegliederte Bauten, die sich, trotz ihrer teuren Ausstattung,
              nicht über ein größeres Areal auszudehnen scheinen. 
              In
              den letzten Jahrzehnten wurden über 200 Gebäude mit Mosaikausstattung
              ausgegraben. Es handelt sich vorwiegend um Badeanlagen (Thermen) oder
              Wohnhäuser. Bei zahlreichen Bauten läßt sich ihre genaue
              Funktion nicht mehr ermitteln, da sie entweder zum großen Teil zerstört
              sind, oder nicht vollständig ausgegraben werden konnten. Insbesondere
              bei sog. Rettungsgrabungen in dicht besiedelten Städten, wie beispielsweise
              Athen und Patras, wo nur auf einem begrenzten Grundstück gegraben
              werden darf, läßt sich die ursprüngliche Ausdehnung eines
              Wohnkomplexes nur selten feststellen.
              
              
              
              Natürlich stellt sich immer wieder die Frage, ob der Fußbodendekor
              Hinweise auf die Funktion eines Raumes geben kann. 
              Im kaiserzeitlichen Griechenland
              konzentriert sich der Ausstattungsluxus vorwiegend auf überdachte Räume,
              die am Wohnhof oder Peristyl liegen. In einigen Fällen legen Raumgröße,
              Anlage und Thema des Mosaiks eine Deutung als Cubiculum (Schlafraum), Triclinium
              (Speisezimmer mit drei Liegestätten) oder größeren Bankettsaal
              nahe.
              Triclinia sind häufig am Aufbau ihres Mosaikbodens zu erkennen. Die
              mit Figuren oder ornamentalen Motiven geschmückten Felder sind in der
              Regel T-förmig angeordnet und werden an drei Seiten von schlichten
              geometrischen Mustern oder Plattenböden gerahmt. Eine derartige Komposition
              begegnet uns beispielsweise im 5.5 x 6.25m großen Triclinium im sog.
              Haus des Menander in Mytilene. 
              
              
              
              
              Das Mosaik ist durch einfache Flechtbänder in zehn quadratische
              "Kassetten" unterteilt. In den Feldern sind entweder dreifigurige Theaterszenen
              oder menschliche Büsten dargestellt. Alle Bilder sind nach Norden,
              auf die Rückwand des Zimmers ausgerichtet. Die inhaltlich bedeutsamsten
              Darstellungen (Büsten des Komödiendichters Menander und der Muse
              Thalia) liegen unmittelbar vor den beiden Eingängen an der Südseite
              des Tricliniums. 
              Die T-förmige Komposition wird an drei Seiten von
              einem einfachen Quadratmuster eingefaßt, so daß sich ein rechteckiger
              Teppich ergibt. Der äußere Rahmen des Mosaikbodens besteht schließlich
              aus einem breiten weißen Band mit einer Reihe von kleinen Kreuzsternen
              in der Mitte.
              Oft werden prachtvoll ausgestattete Räume als Andrones
              oder Oikoi gedeutet. In den uns überlieferten antiken Quellen sind
              allerdings keine konkreten Hinweise auf das Aussehen von derartigen Speisesälen
              während der Kaiserzeit zu finden. 
              Da von der ursprünglichen Raumausstattung
              in der Regel außer Boden- und Wandschmuck nichts mehr erhalten ist,
              gehen die Ausgräber bei ihrer Interpretation in erster Linie von der
              Komposition und dem figürlichen Dekor der Mosaiken aus. 
              Die Mosaikbilder
              (Stilleben, Personifikationen der Jahreszeiten, dionysischer Thiasos) werden
              als Anspielungen auf eine reich gedeckte Tafel verstanden. Nur selten geben
              sie jedoch eine konkrete Auskunft über die Nutzung des Raumes. Dionysos-Bacchus
              und sein Gefolge waren während der Kaiserzeit besonders beliebt, da
              sie vollkommenen Lebensgenuß, Reichtum und Fruchtbarkeit verkörperten. 
              Dionysos bringt als Gott des Weines Berauschtheit und Ekstase. Sein Gefolge
              aus Satyrn, Eroten und halbnackten Mänaden unterstreicht das erotische
              Element. Aus diesem Grund sind die Darstellungen in erster Linie als Ausdruck
              hedonistischen Lebensgefühls zu verstehen. 
              Es erscheint selbstverständlich,
              daß Zimmer mit einer aufwendigen Mosaikausstattung einen höheren
              Stellenwert hatten als beispielsweise schmucklose Kammern, die mit groben
              Estrichböden versehen waren. Insbesondere bei größeren Mosaikräumen
              muß damit gerechnet werden, daß sie repräsentativen Zwecken
              dienten und als Empfangs- oder Bankettsäle genutzt wurden.
              Problematisch
              wird allerdings die Funktionszuweisung, wenn ein Haus über mehrere
              Räume mit Mosaikdekor verfügt. So waren in der "Roman Villa" von
              Knossos mindestens fünf am Peristyl gelegene Zimmer mit anspruchsvollen
              Mosaiken ausgestattet. Nur schwer können wir uns an die Vorstellung
              gewöhnen, daß all diese Räume ausschließlich für
              Festgelage bestimmt gewesen sein sollen. 
              
              
              
              Der unzulängliche Publikationsstand und der disparate Charakter der
              griechischen Pavimente erschweren den Versuch, Werkstattzusammenhänge
              nachzuweisen und einzelne Stücke miteinander zu vergleichen. In der
              technischen wie auch künstlerischen Ausführung herrschen erhebliche
              Qualitätsunterschiede. Ebenso bereitet es Schwierigkeiten, Mosaiken
              aufgrund ihrer Bildmotive zu Gruppen zusammenzuschließen. 
              Die Mosaizisten
              besaßen bei der Kombination von Figurentypen und Bildthemen eine relativ
              große Freiheit. So gibt es nur wenige übereinstimmende Repliken.
              Häufiger finden sich Varianten eines Themas, die allerdings in Figurenzahl
              und -typen erhebliche Unterschiede aufweisen.
              Ausgesprochen wenige Mosaiken
              können den Jahrhunderten um die Zeitenwende zugeordnet werden. Die
              eigentliche Mosaikproduktion setzt offensichtlich erst im 2. Jh.n.Chr. ein. 
              In der Frühphase herrschen zunächst klare Formen und leicht überschaubare
              Kompositionen vor. Selbst auf größeren Flächen wird ein
              abrupter Wechsel verschiedener Dekorationssysteme vermieden. Die Darstellungen
              sind in der Regel auf einen konkreten Themenbereich der antiken Ikonographie
              festgelegt. Felder mit figürlichen Darstellungen haben meist den Charakter
              eines Emblema. Sie sind von geometrischen Rahmenzonen durch kleinere Tessellae
              und reichere Farbigkeit abgesetzt und auf einen relativ kleinen Ausschnitt
              des Paviments beschränkt. 
              
              
              
              
              Aus dem Piräus stammt ein polychromes Mosaik, das aufgrund
              des Befundes wahrscheinlich in die erste Hälfte des 2. Jhs. zu datieren
              ist. Der Schmuck des Bodens besteht aus einem sog. Gorgonenschild. Die
              Tessellae des äußeren Rahmens und geometrischen Musters sind
              relativ groß (1-2.5cm) und ungleichmäßig gesetzt. 
              
              
              
              
              Umso mehr hebt sich das fein ausgearbeitete, zentrale Medaillon
              vom übrigen Boden ab. Die Steinchen sind ca. 0.2-0.4cm groß und
              dicht aneinandergereiht. Durch differenzierte Farbabstufungen wurde dem
              Gesicht der Medusa Plastizität verliehen. Helle und dunkle Partien
              gehen fließend ineinander über. Die Locken bestehen aus verschiedenfarbigen,
              parallel verlaufenden Tessellaereihen. 
              Der Mosaizist bemühte sich um
              die Wiedergabe von Details. So winden sich aus der Haarmasse mindestens
              vier Schlangen, die schwarz gepunktet und mit Augenbraue, Pupille, Zunge
              bzw. Bärtchen versehen sind. Auf den grauen Flügeln sind durch
              gelbe Linien Federn angedeutet. 
              Es fällt auf, welche Sorgfalt auf schmückende
              Einzelformen verwendet wurde. 
              
              
              
              
              Aus der bereits erwähnten "Villa Dionysos" in Knossos
              stammen mehrere polychrome Mosaiken, die vermutlich in hadrianisch-antoninischer
              Zeit entstanden sind. Ein Mosaik ist mit einem Hexagon- bzw. Wabenmuster
              verziert. Im zentralen Feld befindet sich ein schelmisch blickender Satyr
              mit einer Flöte. 
              
              
              
              
              Papposilen, Mänade, Pan und zwei weitere Satyrn umgeben
              ihn. Die Büsten sind klar vom weißen Hintergrund abgesetzt. Es
              dominieren Grau- und Rosatöne, auf denen blaue, grüne und gelbe
              Steinchen leuchtende Akzente setzen. Konturlinien sind in Braunrot ausgearbeitet. 
              Im Gegensatz zum Medusamosaik aus dem Piräus wird hier stärker
              mit Farbkontrasten gearbeitet. Details sind zwar summarischer angegeben,
              doch wurde ein wirkungsvoller Gesamteindruck erzielt. 
              
              
              
              
              Auf einem anderen Mosaik des Hauses sticht die Büste
              einer geflügelten Jahreszeitenpersonifikation durch ihre leuchtende
              Polychromie ins Auge. Naturalistische Farbgebung wurde hier offensichtlich
              nicht angestrebt. So sind schwarz eingefaßte Haarsträhnen mit
              hellblauen und rosa Tessellareihen gefüllt. Dunkelrote Linien deuten
              die Kontur von Nase und Kinn an. 
              Die Plastizität des Gesichts wird
              durch eine effektvolle Gegenüberstellung von rosaweißen und beigegelben
              Partien bewirkt. Die Augäpfel bestehen aus dunkelblauen Glassteinchen. 
Bei
              Korinth wurde eine reich ausgestattete Villa mit mehreren Mosaikböden
              ausgegraben. 
              Der unzureichend publizierte Grabungsbefund liefert keinen
              genaueren Datierungshinweis. Aufgrund von Vergleichen mit Mosaiken aus dem
              römischen Germanien ist jedoch von einer Datierung in spätantoninische
              Zeit auszugehen. 
              
              
              
              
              Der Mosaizist stellte sein Können insbesondere bei den
              figürlichen Darstellungen unter Beweis. 
              Die Bildfelder sind als autonome
              Gemälde aufgefaßt und heben sich in ihrer Farbigkeit und technischen
              Ausführung deutlich von den rahmenden geometrischen Mustern ab. 
              Es
              wurden keine Überschneidungen und perspektivischen Verkürzungen
              gescheut. Im vollständig erhaltenen Genrebild finden sich auch landschaftliche
              Elemente. Die stufenweise heller werdende Standfläche verschmilzt organisch
              mit einem Berg im Hintergrund. An einen Baum lehnt sich ein Querflöte
              spielender Satyr. Rechts dahinter grasen drei Rinder. 
              
              
              
              
              
              
              
              Trotz der hohen Qualität, verdeutlichen kleine Ungenauigkeiten
              den handwerklichen Charakter dieses Mosaikbildes. Das liegende Rind in der
              Mitte wurde offensichtlich später ausgeführt als das rechte, von
              hinten gezeigte. Der Mosaizist versuchte, das Hinterteil des grauen Tieres
              im verbleibenden Platz zwischen den Beinen seines braunen Artgenossen unterzubringen.
              Der Rinderschwanz ist dabei unnatürlich gerundet und etwas sperrig nach vorne
              gestreckt. 
              Auch die Überschneidungen von Baumstamm
              und Satyr sind dem Mosaizisten nicht ganz gelungen. Zuerst wurde die menschliche
              Figur fertiggestellt. Einige Details zeigen, daß man hierbei nicht
              an den noch darzustellenden Baum dachte. So ist zwischen den Knien des Satyrs
              und zwischen seinem linken Oberschenkel und dem herabhängenden Pantherfell
              der weiße Hintergrund angegeben. Erst anschließend wurde der
              Baum ausgeführt, dessen Form nun weitgehend durch die Kontur des nackten
              Flötenspielers bestimmt war.
              
              Seit dem Ende des 2. Jhs.n.Chr. läßt
              die künstlerische Differenzierung einzelner Bodenabschnitte nach. Hauptbild,
              Fries- und Rahmenzonen werden zunehmend gleichberechtigt behandelt. Im
              Zentrum befindet sich häufig ein mehrfiguriges Gemälde, das zwar
              durch Lage und Größe, aber nicht durch feinere Technik von den
              Nebenfeldern und dem Rahmen abgesetzt ist. Es hat nur noch selten die Wirkung
              eines Emblema. Auf Details wird immer weniger geachtet. Zugleich läßt
              sich eine zunehmende Komplexität der Gliederungsschemata feststellen.
              In vielen Fällen erfaßt der Betrachter die Komposition erst dann,
              wenn er den Raum durchschritten hat. Formenvielfalt, Polychromie und dichte
              Aneinanderreihung verschiedener Ornamente verleihen den Mosaiken eine lebhafte
              Wirkung. Es wird ein effektvoller Gesamteindruck angestrebt.
              Die figürlichen Darstellungen lassen Abwechslung und Originalität
              erkennen. Typisch römische Bildthemen erleben einen Aufschwung, wobei
              Arenakämpfe offensichtlich bevorzugt werden. 
              
              
              
              
              In einem öffentlichen Gebäude der antiken Stadt
              Korinth wurde ein 9.03 x 7.62m großer Raum freigelegt, der wegen seines
              Mosaikdekors als Büro der Schiedsrichter an den Isthmischen Spielen
              interpretiert wurde.            Aus stilistischen Gründen ist eine Datierung um 200 n.Chr. anzunehmen.
              Das zentrale Bildfeld gibt einen nackten Athleten und die sitzende Personifikation
              der Eutychia (Göttin des guten Schicksals) wieder. Der Körper
              des Jünglings besteht aus kräftigen Muskeln, deren Massigkeit
              durch kontrastreich eingesetzte Glanzlichter und dunkle Schattenzonen unterstrichen
              wird. 
              Die parataktische Körperauffassung zeigt sich deutlich bei der
              weiblichen Gestalt, deren Brüste aus kreisförmig angeordneten
              Tessellaereihen gebildet sind und wie auf den nackten Oberkörper gelegte
              Scheiben wirken. Auch die Gesichter scheinen aus Einzelformen zusammengesetzt,
              denen der organische Zusammenhang fehlt. Zeichnerisch sind Augen, Mund und
              Nase von dunklen Linien eingefaßt und deutlich vom hellen Inkarnat
              abgehoben. Die Übergänge sind hier nicht mehr fließend wie
              bei dem Medusakopf aus dem Piräus. 
              
              
              
              
              
              
              
              Im 3. Jh.n.Chr. erfreuen sich großformatige Tableaus
              mit symmetrisch arrangierten Figurengruppen besonderer Beliebtheit. Dem
              wachsenden Format der Bildfelder entsprechend, dehnen sich auch die dargestellten
              Figuren aus und erreichen zum Teil fast Lebensgröße.
              
              Auf einem
              Mosaik in Thessaloniki sind drei Mosaikbilder U-förmig angeordnet.
              Zwei kleinere, rechtwinklig zum großen Hauptbild orientierte Felder
              rahmten wahrscheinlich eine weiß ausgesparte Fläche. Der Boden
              konnte nicht vollständig ausgegraben werden, so daß sich die
              ursprüngliche Ausdehnung und die Funktion des Raumes nicht mehr feststellen
              ließen. 
              
              
              
              
              Das Mosaik gibt die amourösen Abenteuer von drei olympischen
              Gottheiten wieder: Dionysos und Ariadne, Apollon und Daphne, Zeus und Ganymed. 
              Das größte Feld nimmt der Weingott mit seinem Gefolge ein. Dionysos,
              der sich auf einen jungen Satyr stützt, und zwei aneinandergelehnte
              Mänaden rahmen symmetrisch die schlafende Jungfrau. Im Hintergrund
              ragen Eros und Papposilen hinter einem Felsen hervor. Die Figuren sind übersichtlich
              nebeneinandergereiht und frontal auf den Betrachter ausgerichtet, ohne jedoch
              in ein spannungsvolles Verhältnis zueinander zu treten. Die Mänaden
              am rechten Bildrand zeigen zwar auf Ariadne, blicken jedoch in eine andere
              Richtung. Selbst Dionysos schaut nicht direkt seine Geliebte an. Die Gestalten
              sind in charakteristischen Posen wiedergegeben und wie auf einer Bühne
              zu einem gefälligen Gruppenbild zusammengestellt. 
              
              
              
              
              
              
              
              Das Mosaik stammt von einem virtuosen Steinleger, der Körpern
              und Gewändern durch ausgewogene Proportionen und subtile Schattengebung
              Plastizität verlieh. Das Harmoniebedürfnis des Mosaizisten äußert
              sich auch in der klaren Gliederung und symmetrischen Anlage der Komposition.
              Bemerkenswert ist die sorgfältige Darstellung der einzelnen Figuren,
              die feine Gesichtszeichnung und die dezente Andeutung der Wangenwölbung.
              Bei einer Gegenüberstellung mit den dionysischen Köpfen aus der
              "Villa Dionysos" in Knossos fällt allerdings die stärkere Linearität
              auf. Besonders deutlich wird dies in der Augenpartie, wo Ober- und Unterlider
              durch dunkelbraune Linien hart vom hellen Inkarnat abgesetzt sind.
              Trotzdem
              ist es erstaunlich, wie wenig sich die Technik innerhalb von etwa hundert
              Jahren verändert hat.
              
              Für viele Mosaiken des 3. Jhs.n.Chr. ist
              eine gewisse Maßlosigkeit und Willkür bei der Auswahl und Zusammenstellung
              verschiedener Sujets bezeichnend. Dionysische, aphrodisische, genrehafte
              und realistische Motive werden scheinbar unüberlegt miteinander verbunden.
              Es setzte sich das Bedürfnis durch, möglichst viele Botschaften
              und optische Reize in einem Paviment zu vereinen. Nur schwer läßt
              sich dieses Phänomen durch ein übergeordnetes Konzept, eine konkrete
              Idee der Mosaizisten erklären. In dieser Zeit macht sich auch verstärkt
              der Drang bemerkbar, die Darstellungen durch Beischriften zu erklären. 
              
              Seit der 2. Hälfte des 3. Jhs. treten auf Mosaiken häufiger Flüchtigkeitsfehler
              und Verzeichnungen auf. Generell läßt sich ein zunehmender Qualitätsverlust
              beobachten. Die Pavimente aus dem Haus des Menander in Mytilene können
              aufgrund des Befundes in die 2. Hälfte des 3. Jhs.n.Chr. datiert werden.
              Das Mosaik im Triclinium besteht aus zehn quadratischen Feldern mit figürlichen
              Darstellungen, die anhand von Inschriften zweifelsfrei zu deuten sind. 
              An
              der Südseite befindet sich ein Porträt des Dichters Menander.
              Der etwa vierzigjährige Mann ist durch seinen konzentrierten Gesichtsausdruck
              und die zahlreichen Falten als Denker charakterisiert. Der volle Mund, die
              großen Augen und die relativ weichen Gesichtszüge deuten seine
              Sensibilität und vielleicht auch seine Anfälligkeit gegenüber
              Krankheiten an. Der linke Augapfel ist stark nach innen gerichtet und spielt
              wahrscheinlich auf den in antiken Quellen erwähnten Strabismus des
              Dichters an. 
              
              
              
              
              Der lineare Figurenstil hat sich hier vollkommen durchgesetzt.
              Im Gesicht und am Hals sind die Einzelformen geometrisch stilisiert. Stirn
              und Nase bilden zwei T-förmig angeordnete Rechtecke. Einem kreisförmigen
              Umriß lassen sich Augen- und Mund-Kinn-Partie einschreiben, während
              die Wangen eine dreieckige Form aufweisen. Auch auf dem Schlüsselbein
              bilden konzentrisch angelegte Linien ein Dreieck. Die Frisur ist gegenüber
              rundplastischen Menanderporträts stark vereinfacht und aus parallel
              nach vorne gekämmten Haarsträhnen gebildet. 
              
              
              
              
              In einem westlich angrenzenden Feld ist eine Szene aus dem
              2. Akt des Menanderstückes "Plokion" wiedergegeben. Es handelt sich
              wahrscheinlich um die literarisch überlieferte Szene, in der Laches
              mit seiner Frau Krobyle über Heiratspläne für den gemeinsamen
              Sohn Moschion streitet. 
              Die Schauspieler tragen die für ihre Rolle
              charakteristischen Gewänder und Masken. Sie sind frontal ausgerichtet
              und weisen einen geschlossenen, nahezu rechteckigen Umriß auf. Ihre
              Arme liegen eng am Körper an und werden von dem weiten Mantel größtenteils
              verdeckt. Nur Laches weicht mit seinem erhobenen rechten Arm und der leichten
              Rechtswendung vom starren Aufbau der Komposition ab. 
              Komplizierte Ansichten
              und Überschneidungen sind vermieden. Die Füße sind bei allen
              Figuren nach dem gleichen Schema angeordnet: ein Fuß ist frontal,
              der andere im Profil wiedergegeben.
              Anatomische Details sind sehr summarisch ausgeführt. So kann das Geschlecht
              von Moschion und Krobyle in erster Linie anhand der Frisur und der Hautfarbe
              , nicht jedoch anhand der Gesichtsbildung der Masken bestimmt werden.
              
              In
              der ersten Hälfte des 4. Jhs.n.Chr. ist kein tief einschneidender Stilwandel
              in in der griechischen Mosaikkunst zu beobachten. Tendenzen des 3. Jhs.
              werden ohne erkennbaren Bruch fortgesetzt. So läßt sich generell
              eine fortschreitende Vergröberung der Technik und eine Zunahme von
              Linearität und Flächigkeit beobachten. Großformatige Bildkompositionen
              sind in dieser Zeit allerdings nur noch selten auf Bodenmosaiken in Griechenland
              anzutreffen. Stattdessen werden kleinteilige Rapportmuster bevorzugt. Der
              figürliche Dekor wird zunehmend auf den Wandschmuck verlagert.
              
              Bei einer
              Durchsicht der griechischen Mosaiken fällt auf, daß einige der
              für italische Schwarzweißmosaiken charakteristischen Kompositions-
              und Dekorationsprinzipien in Griechenland offensichtlich nicht Fuß
              fassen konnten, z.B. der sog. style fleuri oder Arabeskenstil und vollkommen
              freie Figurenkompositionen ohne erkennbares Gliederungsschema. 
              
              Das Themenrepertoire
              der figürlichen Schwarzweißmosaiken in Griechenland ist auffallend
              beschränkt. In Schwarzweißtechnik werden vorwiegend Motive aus
              dem marinen Bereich dargestellt. Offensichtlich besteht hier eine Beziehung
              zu Italien, wo die frühesten Schwarzweißmosaiken u.a. Delphine,
              Seeungeheuer, Ichthyokentauren und schwimmende schwarze Afrikaner wiedergeben. Im Gegensatz
              zu Italien werden in Griechenland kaum anspruchsvolle Kompositionen im Schwarzweißstil
              verlegt.
              
              Wie in den vorangehenden Ausführungen deutlich geworden ist, liegt
              die Stärke der griechischen Werkstätten in der polychromen Technik.
              Klar umgrenzte, leicht überschaubare Bildkompositionen werden eindeutig bevorzugt. 
              
              
              Verf., Symposion mit Menander und Dionysos. Römische Mosaiken
              aus Griechenland, in: AntikeWelt 1997/4, Seite 309-318.
              
              
              Abb. 2 nach S.Charitonidis - L. Kahil - R. Ginouvès,
              in: VI. Beiheft Antike Kunst (1970); sonst Verf. 
          
